Use Cases im safeFBDC
Im Rahmen des Forschungsprojekts sollen anwendungsnahe KI-Ansätze erforscht, entwickelt und prototypisch validiert werden. Dazu werden die zugrundeliegenden Algorithmen und die benötigte Datengrundlage spezifiziert, erstellt, getestet und bewertet. Unsere Use Cases, die wir auch als Teilprojekte oder Arbeitspakete bezeichnen, werden von Fachexpert:innen und Data Scientists aus dem Kreis der Partner geleitet und anhand dediziertet Meilensteinpläne bearbeitet.
In einigen Use Cases sind auch assoziierte Partner des safeFBDC Projekts aktiv an der Forschung beteiligt – als Unterauftragnehmer oder in beratend-fachlicher Position bringen sie wertvolle Expertise in das Projekt ein.
Schaffung einer sicheren Basis zur Steigerung der Datensouveränität
Ein aktuelles und grundlegendes Problem der Finanzmarktakteure ist der singuläre Zugang zu Datenpools. Bislang existieren zumeist heterogene, unternehmensspezifische Datenstrukturen in verschiedenen nationalen europäischen Finanzmärkten. Diese begrenzte Datennutzung schränkt die beteiligten Akteure in ihrer Fähigkeit ein, ihre Daten über Organisationsgrenzen hinweg zu teilen und zu analysieren. Dies schränkt die Leistungsfähigkeit von KI-gestützten Methoden in deutschen und europäischen Finanzdienstleistungen erheblich ein, da lokale KI-Systeme nur mit begrenzten und nicht vernetzten Daten trainiert werden können.
In den letzten Jahren sind im Bereich der Datenbanksysteme viele neue Technologien entstanden, um Daten noch effizienter zu verwalten. Eine besondere Herausforderung für den Datenschutz ist die zunehmende Nutzung dieser Cloud-Datenbanken. Da die meisten Cloud-Anbieter ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union haben, kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die in der EU geltenden Datenschutzbestimmungen auch von diesen Anbietern eingehalten werden. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bildet die Grundlage der in der EU geltenden Datenschutzbestimmungen und schränkt damit die Nutzung von Daten-zu-Daten-Silos ein, die einer breiteren KI-Entwicklung bisher im Wege standen. So sind deutsche und europäische Datenanbieter aus dem Finanzdienstleistungsumfeld derzeit auf internationalen Datenaustauschplattformen kaum vertreten und haben den kommerziellen Wettbewerb um Daten bisher den USA und China überlassen. Die uneingeschränkte Anwendbarkeit der DSGVO wurde erst kürzlich durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16. Juli 2020 bestätigt und damit das EU-US-Datenschutzabkommen “Privacy Shield” gekippt. Voraussetzung für Datenübermittlungen in andere Länder auf der Grundlage sogenannter Standardvertragsklauseln ist ein gleichwertiges Datenschutzniveau, das hier nach Auffassung des EuGH nicht gegeben ist.
Im Rahmen von safeFBDC soll gezeigt werden, wie der europäische Weg der Datensouveränität mit dem kommerziellen Weg der Datennutzung in den USA und dem Ansatz Chinas konkurrenzfähig werden kann.
Ziel dieses Arbeitspaketes ist es, die IT-Architektur einer Finanzdatenplattform zu konzipieren und an konkreten Anwendungsfällen zu verproben, die höchsten Ansprüchen an Datenschutz, Datensicherheit und Datensouveränität gerecht wird und gleichzeitig einen organisationsübergreifenden Datenaustausch ermöglicht. In der ersten Phase unseres Projekts werden wir die Anforderungen an die IT-Architektur und das Pflichtenheft auf Basis der ausgewählten Anwendungsfälle entwickeln. In der zweiten Phase findet die Planung und Dimensionierung der IT-Architektur statt. Dies beinhaltet etwa die Gestaltung der Referenzarchitektur, Software- und Hardwareanforderungen unter Berücksichtigung der projektinternen, -externen, -rechtlichen und -regulatorischen Anforderungen. Dabei werden wir uns auch auf Standards für den vertrauenswürdigen Datenaustausch stützen, die von zwei großen europäischen Dateninitiativen – der International Data Spaces Association und der Gaia-X-Initiative – festgelegt werden.
In der letzten Phase wird die Finanzdatenplattform, die den organisationsübergreifenden Datenaustausch ermöglicht, prototypisch realisiert. Dabei werden Ansätze mit einem Trustee und Ansätze mit verteilter Datenhaltung und Verarbeitung verprobt.
Die aktuellen Forschungsthemen belaufen sich im Besonderen auf:
- Prozess- und Rollenkonzept: Spezifikation der Beteiligten und deren Rollen und Interaktion bei Datenaustausch und -Verarbeitung
- Hardware-Konzept: Spezifikation der Hardware, die den spezifischen Anforderungen einer Finanzdatenplattform in Bezug auf Datenhoheit, verwendete KI-Modelle oder Betriebsmodi sowie den Anforderungen der Kunden bzw. Nutzer der Plattform entsprechen soll
- Software-Konzept: Spezifikation der Software, die den spezifischen Anforderungen einer Finanzdatenplattform in Bezug auf Datenhoheit, verwendete KI-Modelle oder Betriebsmodi sowie den Anforderungen der Kunden oder Nutzer der Plattform genügen soll
- Sicherheitskonzept: Beschreibung der zu treffenden Maßnahmen und Vorkehrungen, um die Sicherheit der IT-Infrastruktur zu gewährleisten
- Geschäftsgrundlage: Entwicklung von Mechanismus-Design-Entwürfen zur Gestaltung von Regeln in einem neuen Marktumfeld in Verbindung mit den entsprechenden Lösungskonzepten für die Umsetzung. Darauf aufbauend werden Geschäftsmodelle und Wachstumsstrategien abgeleitet und bewertet.
Use Case Leitung:
Analyse von Nachhaltigkeits-Risiken im Risikomanagement von Finanzinstituten
Ziel dieses Use Cases ist es, die derzeit oft unzureichende Verfügbarkeit und Qualität von ESG-Daten (“Environmental Social Corporate Governance”) zu verbessern. Der zentrale Ansatz besteht darin, innovative KI- und ML-Modelle zu testen und zu entwickeln, um die ESG-Datenlücken zu schließen und neue Methoden zur Generierung von ESG-Daten im Kontext von Klimawandel, Biodiversität und sozialer Unternehmensführung zu entwickeln. Das übergeordnete Ziel ist es, Finanzmarktteilnehmer, insbesondere Banken, beim Umgang mit ESG-bezogenen Risiken und Auswirkungen zu unterstützen.
Das Arbeitspaket wird von der Frankfurt School of Finance gGmbH in enger Zusammenarbeit mit weiteren Projektbeteiligten wie Main Incubator GmbH, Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, Deloitte Consulting GmbH, TechQuartier und dem Green and Sustainable Finance Cluster Germany e.V. geleitet. Auch die TU Darmstadt ist an diesem Arbeitspaket beteiligt, um die Entwicklung der Datenplattform im Arbeitspaket 1 eng mit der Entwicklungsarbeit in diesem Anwendungsfall zu verknüpfen. Um mehr über dieses Arbeitspaket zu erfahren, besuchen Sie bitte die entsprechende Unterseite des Projekts hier.
Use Case Leitung:
Optimierte vernetzte Techniken in der Bekämpfung von Geldwäsche (AML)
Vernetzte Daten von Finanzinstituten ermöglichen eine neue Dimension der Geldwäschebekämpfung, indem Aktivitäten im gesamten Finanzsystem mithilfe von KI und ML-Modellen abgebildet werden. Dieser Anwendungsfall zielt darauf ab, die vom FBDC bereitgestellte sichere Infrastruktur für den Datenaustausch zu nutzen, um eine Grundlage für die Modellierung zu schaffen, d. h. komplexe Aktivitätsnetzwerke können erkannt und neue Muster durch eine grundlegende KI-gestützte Geldwäscheerkennung entdeckt werden.
Als Betreiber kritischer Marktinfrastruktur für Finanzmärkte wird dieses Arbeitspaket von der Deutschen Börse AG geleitet. Weitere wichtige Partner, die gemeinsam an der Entwicklung, Analyse und prototypischen Validierung von KI-Modellen zur Geldwäscheprävention arbeiten, sind spotixx, HAWK:AI, die Technische Universität Darmstadt und TechQuartier. SAP Fioneer ist dafür verantwortlich, die KI-Modelle eng mit der Entwicklung der Datenplattform als sichere technologische Basis abzustimmen.
Use Case Leitung:
Erforschung von neuen Methoden zur Erhöhung der Marktintegrität
Die Aufdeckung von Marktmanipulationen ist ein Schlüsselelement zur Gewährleistung der Integrität der Finanzmärkte. Die heutigen Erkennungsmethoden sind meist regelbasiert und auf die Transaktionsdaten selbst beschränkt. Daher werden in diesem Anwendungsfall die Möglichkeiten der Anwendung von Methoden der künstlichen Intelligenz auf einen erweiterten Datenpool von Transaktions- und Nicht-Transaktionsdaten untersucht. Die Ziele dieses Arbeitspakets, das KI-Anwendungen einsetzt, sind
- Verbesserung der Erkennungsraten: Identifizierung von komplexeren und ausgefeilteren Manipulationsversuchen durch den Einsatz von Methoden des maschinellen Lernens zur Erkennung von Anomalien im Handelsverhalten.
- Verringerung der Falsch-Positiv-Raten: Weniger Fehlalarme durch die Integration zusätzlicher Datenquellen sowie die Anwendung von kontinuierlich lernenden Modellen.
- Vorteile durch verknüpfte Daten: Massive Verbesserungen der Modelle und der Modellleistung durch die Integration von nicht-transaktionalen Datensätzen und den Zugang zu Informationen von Regulierungsbehörden und offiziellen Quellen durch verteiltes Lernen.
Use Case Leitung:
Verbesserung der Datenbasis, Test- und Simulationsumgebungen für geldpolitische Entscheidungen
Ziel dieses Anwendungsfalls ist es, die Informationsbasis für die Geldpolitik im Euroraum weiter zu optimieren. Insbesondere soll es möglich sein, die Folgen der geldpolitischen Entscheidungen der Europäischen Zentralbank besser vorherzusagen und zu bewerten. Zu diesem Zweck ergänzen KI-Algorithmen die bisher verwendeten mathematischen und statistischen Werkzeuge.
Dieses Arbeitspaket wird von der Frankfurt School of Finance gGmbH geleitet. Die Entwicklung von KI-Algorithmen zur besseren Abschätzung der Folgen von geldpolitischen Entscheidungen wird von der Deloitte Consulting GmbH unterstützt. Auch die TU Darmstadt ist beteiligt, um die Entwicklung der Datenplattform eng mit den Entwicklungsarbeiten in diesem Anwendungsfall zu verknüpfen. Um mehr über den wissenschaftlichen Ansatz dieses Arbeitspaketes zu erfahren, besuchen Sie bitte die Unterseite des Projektes.
Use Case Leitung:
Neue Risikomanagement- und Finanzierungsinstrumente für komplexe Lieferketten und „smarte“ Wertschöpfungsnetzwerke der Industrie 4.0
Produktion, Logistik und ganze Lieferketten befinden sich in einem rasanten Transformationsprozess. Technologien der Industrie 4.0 bereiten den Weg für weitgehende Prozessautomatisierungen bis hin zu „smarten“ Fabriken und datengetriebenen Geschäftsmodellen in zukünftigen Plattformökonomien.
Neue Wertschöpfungsnetzwerke und neue Geschäftsmodelle erfordern auch neue, adäquate Zahlungs-, Finanzierungs- und Risikomanagementinstrumente.
Das Teilprojekt „Stable Supply Chain Finance“ erarbeitet zunächst, aus welchen Quellen und mit welchen Technologien Daten nicht nur von beteiligten Stakeholdern, sondern auch aus Objekten und Prozessen gewonnen werden können. Eine besondere Rolle kommt hierbei Anwendungen des Industrial Internet of Things (IIoT) zu.
Im nächsten Schritt wird erforscht, wie mit den gewonnenen Daten, ergänzt durch finanzierungsrelevante externe Daten aus einem Financial Big Data Cluster, Finanzierungen von Lieferketten und Wertschöpfungsnetzwerken zukunftssicher und fit für die Industrie 4.0 gemacht werden können.
Dieses Forschungsprojekt wird vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML geleitet und maßgeblich vom Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST sowie vom TechQuartier unterstützt.
Use Case Leitung:
Ansprechpartner: Gerhard Schipp
gerhard.schipp[at]iml.fraunhofer.de